"Die Halle wird selber ein Gefäss für die Natur der Dinge." Tagesanzeiger
Solastalgie beschreibt psychisches Leid, das infolge der Klimakatastrophe und der Konfrontation mit Vergänglichkeit entsteht. Es ist eine Art Heimweh, ein in die Zukunft gerichteter Schmerz, der den kommenden Verlust von Landschaften und uns vertrauten Umgebungen bereits in der Gegenwart verspüren lässt.
In der Solo-Performance Solastalgia — A Ghost Story gehe ich meinen eigenen solastalgischen Trauergefühlen auf den Grund. Ausgangslage bilden zwei Momente, in denen ich Solastalgie empfand: Vor 15Jahren, als ich dem Abriss des ehemaligen Familienhauses im Hunsrück Deutschland zustimmte, und beim Besuch des schmelzenden Rhonegletschers im Wallis. Wie sind diese beiden Ereignisse - auf gespenstische Weise -miteinander verknüpft?
Nach dem Tod meiner Grossmutter blieben die Geister. Insbesondere der Geist meines tyrannischen Grossvaters. Aber auch die Geister der Erdbeeren im Garten, der Vögel im kleinen Vogelhaus an der Hecke, der halbtrockenen Zimmerpflanzen im Wintergarten, der ausgedrückten Zigarettenstummel im Kristall-Aschenbecher und des leeren Hauses, das kurz nach dem Tod meiner Grossmutter verkauft und abgerissen wurde. Geweckt wurden diese Geister beim Anblick eines sterbenden Gletschers. Sie haben mich dazu veranlasst, nach mehr als 15 Jahren zurück in das Dorf meiner Grossmutter zu reisen. Doch statt Antworten zu finden, treffe ich dort auf Resignation, Umweltzerstörung und Erosion. Die Fichtenwälder, in denen ich als Kind gespielt habe, sind zerfressen und grossflächig abgeholzt. Eine begrünte Uranhalde strahlt ohne Warnhinweise vor sich hin und die Tiere, Insekten und Vögel bleiben weg. Es herrscht eine gespenstische Stille. Willkommen in einer Welt, in der alles Lebendige verschwunden sein wird als Erfüllung von Solastalgie!
Solastalgia— A Ghost Story interpretiert das Gefühl von Solastalgie als einen Appell sich der Trauer zu stellen, sie bis zu ihrem politischen Ursprung zu verfolgen und damit der fortschreitenden Erosion unserer Lebensräume nicht mehr ohnmächtig gegenüber zu stehen. Darin wird meine persönliche Spurensuche rekonstruiert und autobiografische Erzählungen verknüpfen sich mit lokalen wie globalen ökologischen und klimatischen Ereignissen und Katastrophen zu einer bildgewaltigen, traurigen und ermutigenden Performance: Trauer ist Power.
Solastalgia— A Ghost Story basiert auf dem gleichnamigen Prototypen (2021,Gessnerallee) und bildet die Abschlussproduktion meines zweijährigen Rechercheprojekts States of Exhaustion. Darin untersuchte ich Verbindungen meines persönlichen Erschöpfungszustands mit der Ausbeutung, Verwüstung und Erosion der Natur. Ich schaue auf die Klimakrise als «Klimatrauma» und frage nach ihren individuellen und gesellschaftlichen sowie psychologischen Auswirkungen.
Künstlerische Leitung, Performance & Textbuch: Benjamin Burger Co-Inszenierung & Dramaturgie: Mona De Weerdt Co-Inszenierung: Dimitri Stapfer Textdramaturgie: Andreas Storm Musik, Sound Design & Performance: Ernesto Coba Antequera Gesang: Chelsea Zurflüh Bühne & Licht: Thomas Giger Kostüm: Henriette Friederike Herm Produktionsassistenz & Mitarbeit Bühne: Jan Studer oeuil extérieur: Sabina Aeschlimann Produktionsleitung: Antje Czudaj Administration: Daniela Guse Produktion: Extraleben Koproduktion: Gessnerallee Unterstützt durch: Stadt Zürich Kultur, Fachstelle Kultur Kanton Zürich, Ernst Göhner Stiftung, Schweizerische Interpretenstiftung SIS, Migros Kulturprozent